Tag der Natur
Mikrokosmos Merian Gärten
Matthias Borer, am « Tag der Natur » im Juni 2024 haben 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Schweiz sowie Besucherinnen und Besucher in den Merian Gärten zahlreiche Tier- und Pflanzenarten aufgespürt. Was war dabei Ihr persönliches Highlight ?
Oh, da gibt es einige. Wir haben zum Beispiel eine Bockkäfer-Art entdeckt, die bisher in der Schweiz noch nicht nachgewiesen werden konnte. Das ist sicher ein schönes Highlight.
Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere am « Tag der Natur » in den Merian Gärten ?
Das Tolle an den Merian Gärten ist ja, dass es auf einer relativ kleinen Fläche eine Vielzahl von unterschiedlichen Habitat-Typen mit grosser botanischer Diversität und damit verbunden auch zoologischer Diversität hat. Im Mikrokosmos der Merian Gärten lassen sich also viele Tier- und Pflanzenarten entdecken und beobachten. Zudem war das allgemeine Interesse gross. Alle Führungen und auch die Infostände waren sehr gut besucht.
Besonders am « Tag der Natur » ist auch, dass Fachleute und Lai:innen zusammen forschen. Funktioniert das in der Regel gut ?
Ja ! Das Interesse von sogenannten « Laien », die oft gar keine sind, ist generell gross. Sie bringen teils ein enormes Wissen mit. Viele Augen und Ohren sehen und hören zudem mehr als wenige. « Laien » haben einige spannende Organismen entdeckt und beobachtet. Ein zehnjähriger Knabe hat etwa einen Hirschkäfer aufgespürt. Die Interaktion mit den Besucherinnen und Besuchern war inspirierend.

Speziell ist sicher auch, dass der « Tag der Natur » in den Merian Gärten stattfindet und nicht irgendwo auf dem Land. Weshalb wird in Stadtnähe zur Biodiversität geforscht ?
Die Merian Gärten sind ein ausgezeichnetes Beispiel, um aufzuzeigen, dass auch in Stadtnähe spannende Biodiversitäts-Hotspots möglich sind und diese eine wichtige Rolle spielen. Durch die Bekanntheit der Merian Gärten und die gute Erreichbarkeit gelingt es zudem, mehr Interessierte anzusprechen als auf dem Land. Das ist ein grosses Plus, denn wir wollen den Leuten ja auch vermitteln, dass sie, selbst wenn sie in einer Stadt wohnen, schon mit wenig Aufwand etwas für die Biodiversität tun können. Zum Beispiel mit einer insektenfreundlichen Bepflanzung im Vorgarten oder auf dem Balkon.
Der « Tag der Natur » findet in Kooperation mit dem Naturhistorischen Museum Basel statt. Was bringt dem Museum ein solcher Anlass ?
Einiges. Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Museums ist es ein grosses Anliegen, der Bevölkerung einen Einblick in die Biodiversität « vor der Haustür » zu ermöglichen, denn wir schätzen und schützen eher, was wir kennen. Zudem kommt die Datenerhebung « vor der Haustür » bei uns oftmals zu kurz. Der « Tag der Natur » ist eine ausgezeichnete Gelegenheit dafür.

Weshalb braucht es einen solchen Anlass wie den « Tag der Natur » überhaupt ? Biodiversität und Schutz der Artenvielfalt sind doch heutzutage in fast aller Munde. Auf Stufe Bund gibt es sogar eine Biodiversitätsstrategie.
Das ist eine berechtigte Frage. Biodiversität ist heute zwar in vieler Munde. Viele wissen aber noch nicht, um was es dabei wirklich geht.
Und um was geht es ?
Vereinfacht gesagt : Die Biodiversität sichert unser Überleben. Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang vor allem auch, dass die Organismen auf der Erde miteinander vernetzt sind und diese Netzwerke interagierender Organismen lebenswichtig sind – für alle ! Das Schicksal eines Organismus kann also viele andere Organismen beeinflussen.
Sie selbst beschäftigen sich viel mit Käfern und gelten als eigentlicher Käfer-Experte. Was ist so faszinierend an Käfern ? Oder anders gefragt : Weshalb sind Käfer so wichtig für die Natur ?
Käfer sind eine sehr artenreiche und vielfältige Insektengruppe. Sie sind in fast allen Lebensräumen der Erde anzutreffen und nehmen verschiedenste Rollen in der Interaktion mit anderen Organismen ein. Und : Für mich sind sie wunderschön !
Haben Sie einen Lieblingskäfer ?
Nein. Dafür gibt es zu viele, die mich faszinieren. Allein in der Schweiz gibt es über 6000 Arten. Das ist eine enorme Zahl.
Der erste « Tag der Natur » in den Merian Gärten fand 2017 statt. Wie haben sich die Funde und Erkenntnisse im Laufe der vergangenen Jahre verändert ?
Ich antworte wiederum bezogen auf die Käfer : Im Vergleich zu 2017 konnte die Artenliste hier stark erweitert werden. Die Anzahl Neozoen und wärmeliebender Arten aus dem Süden hat weiter zugenommen, was auch auf die Klimaerwärmung zurückzuführen ist.

Und was lässt sich daraus ableiten ?
Meiner Ansicht nach ist es schwierig, daraus nun etwas ganz Bestimmtes abzuleiten. Für mich sind es in erster Linie wertvolle Informationen, die zeigen, dass die Klimaerwärmung Veränderungen mit sich bringt. Diese Kenntnisse sind wichtig, damit wir einen Überblick über die Arten haben und die Lebensräume erhalten werden können.
Was hat Sie am « Tag der Natur » 2024 am meisten überrascht ?
Die Vielfalt der Käfer. Dass die Artenliste hier wie bereits erwähnt im Vergleich zu 2017 derart stark erweitert werden konnte, hat mich schon überrascht. Über 50 Prozent der Arten sind gemäss unserer Datenerhebung hier neu.
Ihren Antworten ist zu entnehmen, dass Sie sich über einen weiteren « Tag der Natur » in den Merian Gärten freuen würden.
Ja ! Ich würde mich sehr gerne auch an einer dritten Durchführung dieses Anlasses in den Merian Gärten aktiv beteiligen. Ein weiteres Monitoring würde unsere Kenntnisse der Biodiversität in Zeiten der Klimaerwärmung sicher noch weiter ergänzen.
Interview : Valentin Kressler
Matthias Borer hat Biologie mit Vertiefung Synökologie an der Universität Bern studiert und an der Universität Neuenburg promoviert. Er ist spezialisiert auf Blattkäfer und betreut Projekte in der Schweiz, Mitteleuropa und auf der Arabischen Halbinsel.
