Das dreimal jährlich erscheinende Online Magazin RADAR der Christoph Merian Stiftung informiert über die Hinter- und Beweggründe des CMS-Engagements.

Die gedruckte RADAR Ausgabe mit dem ganzen Inhalt zum Thema kann hier bestellt werden.

Unser Engagement

Wild, grün, divers : Stadtnatur in Basel

Für mehr Biodiversität in der Stadt braucht es einen Perspektivenwechsel. Es gibt sie nicht, diese Zweiteilung von Stadt und Land, hier der Lebensraum der Menschen und dort der Platz für « die Natur ». Wir teilen unser Siedlungsgebiet mit Flora und Fauna. Bemerkenswert vielen wilden Tier- und Pflanzenarten ist es sogar ausgesprochen wohl in der Stadt, wenn ausreichend grosse Grünflächen vorhanden sind und die Verbindung zum Umland gegeben ist. Eine gute und strukturreiche Durchgrünung bietet Vögeln, Reptilien oder Säugetieren Nist- und Schlafplätze und sichert barrierefreie « Verkehrs »- bzw. Ausbreitungswege. Käfer, Wildbienen und andere Insekten finden dank blühenden Wildblumen und Sträuchern ein passendes Nahrungsangebot.

Mit zunehmender Vielfalt an Pflanzen, Tagfaltern und Vögeln in Parkanlagen und Naherholungsgebieten steigt auch das Wohlbefinden der Menschen. Unversiegelte Flächen, begrünte Dächer und Fassaden wirken kühlend. Sie verbessern das Stadtklima und damit die Lebens- und Aufenthaltsqualität der Bevölkerung. Stadtbäume spenden Schatten und gleichen so Temperaturextreme aus ; ihre Blätter binden Staub, ihre Wurzeln speichern Wasser.

So viel zur Theorie. Aber die Umsetzung ist überhaupt nicht trivial. Biodiversität in der Stadt zu fördern ist eine komplexe und interdisziplinäre Aufgabe und gleichzeitig ein eigenes Fachgebiet. Nicht nur die öffentliche Hand prägt die grüne Infrastruktur. Auch Immobilienfirmen, Wohngenossenschaften, Unternehmen und Betriebe mit Firmenarealen oder Einwohner:innen mit Privatgärten gestalten den Naturraum im Siedlungsgebiet. Sie tragen das Ihre zum bunten Mosaik an vielfältigen Grünräumen bei. Vielen Akteur:innen ist allerdings nicht klar, dass sie beim Bauen und Planen, beim Umgebungsunterhalt oder bei der Umgestaltung von Vorgärten die Stadtökologie verbessern – oder eben verschlechtern. Viele würden auf ihren Arealen gerne mehr für die einheimische Tier- und Pflanzenwelt tun, aber wissen schlicht nicht wie. Oft fehlt ihnen auch das Fachwissen oder die Zeit, sich in die Thematik zu vertiefen.

Seit 2021 legt die CMS bei der Förderung im Bereich Natur den Fokus auf Stadtnatur. Auch im neuen Förderprogramm 2025 – 2028 sind Mittel für den Erhalt der Lebensgrundlagen, für ein grünes Wohnumfeld und intakte Lebensräume für Wildtiere und Wildpflanzen reserviert. Ver­glichen mit den Geldern der öffentlichen Hand sind diese Stiftungsgelder zwar bescheiden. Geschickt eingesetzt, können sie aber einen Unterschied machen.

Besonders investiert die CMS in den Aufbau und die Pflege eines Netzwerkes von Akteur:innen, die sich unabhängig von Fächern und Branchen für ein biodiverses Basel einsetzen. Die Rolle als Vernetzerin ist für die CMS perfekt. Parteipolitisch und vom Staat unabhängig kann die Stiftung mit dem « Atelier Biodiverses Basel » eine neutrale Plattform bieten, wo sich zivilgesellschaftlich organisierte Akteur:innen, engagierte Unternehmen, initiative Betriebe und die öffentliche Hand über Fach- und Branchengrenzen hinweg austauschen und zusammen neue Ansätze für mehr Stadtnatur entwickeln. Aus dem Atelier sind bereits zahlreiche unerwartete Kooperationen, Initiativen und Projekte hervorgegangen, zum Teil auch von der CMS mit Fördermitteln unterstützt.

Aus Stiftungssicht vielversprechend sind die Projekte, die Private animieren, ihren Handlungsspielraum zugunsten von Flora und Fauna zu nutzen und damit komplementär zu den Massnahmen der öffentlichen Hand zu wirken. Denn ein Grossteil der Grünflächen in Basel ist in privater Hand : Vorgärten, Gartensitzplätze, Hinterhöfe, Garagendächer, Rabatten etc. Privatpersonen oder kleinen Firmen und Organisationen fehlt oft das Fachwissen sowie auch die zeitlichen und finanziellen Ressourcen, um eine naturnahe Gestaltung ihrer Flächen anzugehen. Eine ganze Reihe von Projekten auf der Plattform «Atelier Biodiverses Basel» setzt genau hier an: mit Fachberatung, finanziellen Anreizen oder direkten Interventionen unterstützen sie Private in ihrem Wunsch, mehr Stadtnatur zu realisieren.

Die CMS ist selbst eine grosse Areal- und Liegenschaftsbesitzerin in Basel und engagiert sich auf den eigenen Flächen für mehr Natur. Am einfachsten gelingt ihr dies in den Merian Gärten, wo strategische Planung sowie Pflege und Unterhalt innerhalb der gleichen Organisation zusammenfallen. Rund 40 Prozent der 18 Hektaren grossen Gärten stehen unter Naturschutz. Das Team vor Ort verfügt sowohl bei der Planung wie auch beim gärtnerischen Unterhalt über Fachpersonen, die sich mit Biodiversitätsförderung auskennen und so für wilde Orchideen, den Eisvogel, für Hirsch- und Nashornkäfer oder den Iltis geeignete Lebensräume erhalten und fördern.

Anspruchsvoller ist die Aufgabe auf Arealen, wo Planung, Bau, Verwaltung und Unterhalt von Siedlungsgrün nicht aus einer Hand erfolgen und das Fachwissen für Biodiversitätsförderung Schritt für Schritt über mehrere Organisationen aufgebaut werden muss. Auf dem Sesselacker, der grössten Wohnsiedlung der Stiftung, ist dieser Prozess gerade im Gang. 2019 bis 2022 war die Siedlung einer von sechs Piloten des gesamtschweizerischen Projekts « Siedlungsnatur – gemeinsam gestalten ». Man wollte mit dem Projekt aufzeigen, wie das Potenzial für biodiverse Aussenräume in Wohnsiedlungen besser ausgeschöpft werden kann. Das Wissen und die Ziele zur Biodiversität aus dem Planungs- und Erstellungsprozess müssen nun bei der Übergabe der neuen Anlage an die verschiedenen Auftragnehmer im Unterhalt weitergegeben und verankert werden. Nur so kann Biodiversität effektiv gefördert werden.

Mit dem Dreispitz verfügt die CMS über eines der grossen Transformationsareale in Basel. Das früher teils abgeriegelte und grossflächig versiegelte Gebiet mit Zollfreilager, Bahnarealen und Gewerbe­zonen ist auf dem Weg, sich zu einem immer belebteren Stadtquartier zu entwickeln. Der Nachholbedarf für Entsiegelung und Begrünung ist nach wie vor gross. Mit einem Grün- und Freiraumkonzept werden Grundlagen geschaffen für eine künftige Entwicklung, bei der auch den Bedürfnissen von Flora und Fauna Rechnung getragen wird. Die frühe Integration der Fachdisziplin Biodiversität im Planungsprozess, also die Einbindung von Fachleuten, die die Tiere und Pflanzen in der Stadt und ihre Ansprüche kennen, ist Voraussetzung für ein gutes Gelingen der Biodiversitätsförderung im Entwicklungsquartier.


Bettina Hamel
Leiterin der Abteilung Natur und Geschäftsleiterin der Merian Gärten