Das dreimal jährlich erscheinende Online Magazin RADAR der Christoph Merian Stiftung informiert über die Hinter- und Beweggründe des CMS-Engagements.

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Interview

« Oft entsteht eine tiefe Verbundenheit »

Anna Bonacci und Kenneth Steiner führen gemeinsam die Stabsstelle Stiftungen & Legate. Sie beraten unter anderem Menschen, die eine unselbstständige Stiftung gründen möchten. Dabei geht es um stiftungsrechtliche Fragen – aber auch um Themen wie Erben, Sterben und letzte Wünsche. Im Gespräch berichten Kenneth Steiner und Anna Bonacci von ihrer Arbeit mit Stifterinnen und Stiftern, aus der oft langjährige, vertrauensvolle Beziehungen entstehen.


INTERVIEW: MIRIAM GLASS
FOTOGRAFIE: KATHRIN SCHULTHESS

Die Dachstiftung der Christoph Merian Stiftung ( DS-CMS ) berät unter anderem Privatpersonen, die in der Region Basel eine unselbstständige Stiftung einrichten wollen.
Was für Menschen kommen zu Ihnen ?

Kenneth Steiner : Sie sind von ihren Persönlichkeiten her natürlich verschieden, doch es gibt Gemeinsamkeiten : Alle betonen ihre starke Verbundenheit zu Basel und zur Region. Vielen geht es darum, der Stadt und ihren Menschen etwas zurückzugeben. Sie kontaktieren uns, weil sie eine bestmögliche Lösung für ihren Nachlass suchen.

Anna Bonacci : Oft ist es ein bestimmtes Ereignis, das Menschen zu uns führt. Zum Beispiel ist der Partner oder die Partnerin verstorben oder sie werden selbst krank und sind konfrontiert mit der Endlichkeit des Lebens. In dieser Situation beschäftigen sie sich damit, was sie noch bewirken können oder wollen und was mit ihrem Nachlass geschehen soll, gerade wenn keine Nachkommen da sind.


Nachlassplanung ist verbunden mit dem Bewusstsein, dass man sterben wird. Wie wichtig ist dieses Thema in den Beratungen ?

Kenneth Steiner : Wer zu uns kommt, redet in der Regel offen darüber. Es geht darum, was mit dem Nachlass nach dem Able­ben geschieht.

Anna Bonacci : Für viele ist es wichtig, zu Lebzeiten alles gut zu regeln. Wenn wir gemeinsam beim Notar waren und der Erbvertrag unterzeichnet ist, nehme ich bei den Stifter:innen oft eine grosse Erleichterung wahr.


Warum ?

Anna Bonacci : Es ist erleichternd zu wissen, dass der Nachlass in gute Hände kommt und so verwendet wird, wie man es selbst bestimmt hat. Wer sich mit dem eigenen Ableben auseinandersetzt, empfindet es häufig als Glück, noch selbst entscheiden zu können, was mit dem Nachlass passiert. Menschen, die zu uns kommen, haben oft präzise Vorstellungen und Wünsche, die sie umsetzen wollen.


Warum wenden diese Menschen sich gerade an die DS-CMS ?

Kenneth Steiner : Viele kennen die Christoph Merian Stiftung ( CMS ) seit Jahren. Oft über Institutionen oder Orte, mit denen sie im Alltag verbunden sind. Zum Beispiel die Merian Gärten. Andere erleben die Arbeit des Quartiervereins in ihrem Wohnviertel oder besuchen Anlässe, welche die CMS unterstützt. Die CMS ist in der Stadt sehr verankert und präsent. So gibt es viele Anknüpfungspunkte.

Anna Bonacci : In Basel kommt dazu, dass es eine starke mäzenatische Tradition gibt. In manchen Familien ist es schlicht üblich, einen Teil des Nachlasses einer gemeinnützigen Institution für philanthropische Zwecke zu überlassen, auch wenn Nachkommen da sind.


Wie viel Geld braucht es dafür mindestens ?

Kenneth Steiner : Das ist nicht vorgeschrieben. Bei Erbschaften kann es um grosse Vermögen gehen. Doch auch mit einer ersten Einlage von 100 000 Franken ist die Gründung einer unselbstständigen Stiftung gut möglich. Kleinere Vermächtnisse, Legate oder Spenden « poolen » wir, das heisst, wir legen sie in einer dafür angelegten unselbstständigen Stiftung zusammen, damit sie Erträge generieren und so Projekte unterstützt werden können.


Haben die meisten Stifter:innen eine konkrete Idee, was mit ihrem Geld geschehen soll ?

Anna Bonacci : Viele haben genaue Vorstellungen oder nennen zumindest einen Bereich, der ihnen wichtig ist – Kultur, Soziales oder Natur. Wie der Stiftungszweck genau definiert wird, klären wir in den Beratungen.

Kenneth Steiner : Wenn jemand mit einer konkreten Förderidee kommt, setzen wir uns mit den Abteilungsleiter:innen der Bereiche Kultur, Natur oder Soziales bei der CMS zusammen. Wir entwickeln ein Projektkonzept und schlagen dieses der Stifterin, dem Stifter vor.


Können Sie ein Beispiel geben ?

Anna Bonacci : Wir haben eine Stifterin, die sich mit zwei Millionen Franken für bedürftige Menschen in Basel einsetzen wollte. Im Beratungsgespräch konnten wir ihr eine soeben von der CMS erarbeitete Bedarfsanalyse im Bereich Soziales präsentieren, welche Handlungsempfehlungen enthielt. Wir wussten, wo der Bedarf am grössten ist und wo die CMS bei der Unterstützung von Bedürftigen künftig den Fokus setzt. Die Stifterin studierte die verschiedenen Handlungsfelder und entschied auf dieser Grundlage, dass ihre Stiftung für die Unterstützung von obdachlosen Menschen verwendet werden sollte. Dieses Thema hatte sie bereits zuvor beschäftigt. Die Stiftung wurde innert kürzester Frist errichtet.


Also nicht erst nach dem Tod der Stifterin ?

Anna Bonacci : Nein, selbstverständlich kann man mit einer Stiftung schon zu Lebzeiten etwas bewegen ! Da gibt es viele Möglichkeiten.


Welche zum Beispiel ?

Anna Bonacci : Zum Beispiel kann eine unselbstständige Stiftung mit einem bestimmten Betrag eröffnet werden. So sieht die oder der Stiftende, wie die CMS mit der Stiftung umgeht und welche Projekte gefördert werden. Wir können auf diese Weise mit den Stifterinnen und Stiftern zusammenarbeiten und lernen uns besser kennen. Das ist sehr wertvoll, denn es wird deutlich, wie der Stiftungszweck umgesetzt werden soll. Nach dem Ableben fliesst dann eventuell über einen Erbvertrag weiteres Vermögen in diese unselbstständige Stiftung – das ist aber kein Muss. Es kommt ganz auf den Wunsch des oder der Stiftenden an.


Wie sehr können Stiftende zu Lebzeiten auf die Verwendung ihres Geldes Einfluss nehmen ?

Kenneth Steiner : Man kann eine unselbstständige Stiftung mit oder ohne Stiftungsrat gründen. Im ersten Fall nimmt der oder die Stifter:in auf Wunsch Einsitz im Stiftungsrat, gemeinsam mit unserem Präsidenten und unserem Direktor und allenfalls weiteren Personen. In diesem Gremium entscheidet die Stifterin, der Stifter über die Vergabe von Geldern mit. Möchte die Stifterin, der Stifter keine aktive Rolle einnehmen oder handelt es sich um einen Nachlass, entscheidet der Stiftungsrat der DS-CMS über die Verwendung der Gelder gemäss dem Stiftungszweck.


Kommen potenzielle Stifter:innen manchmal mit Ideen, die nicht realisierbar sind ?

Kenneth Steiner : Das kommt vor. Wenn Menschen einen Bereich unterstützen wollen, der nicht den Zwecken der DS-CMS entspricht, machen wir das transparent und empfehlen eine andere Dachstiftung. Zum Beispiel, wenn jemand sich für Tiere einsetzen will oder für Wissenschaft und Technik.


Wie viel Zeit vergeht vom ersten Kontakt bis zur Unterzeichnung aller nötigen Dokumente ?

Anna Bonacci : Von der Kontaktaufnahme bis zur konkreten Aktion kann einige Zeit vergehen. Wie lange es dauert vom Erstgespräch bis zum Ableben, das weiss man natürlich nie. Es ist aber nicht selten, dass wir über Jahre hinweg mit den Stifterinnen und Stiftern in Kontakt stehen.


Wie persönlich wird diese Beziehung ?

Anna Bonacci : Es ist ein beruflicher Kontakt, aber mit manchen ist man mit der Zeit richtig befreundet. In wenigen Fällen geht die Begleitung sehr weit, bis hin zu einem Alters-Vorsorgeauftrag wie etwa bei Alfred E. Roth ( siehe Text auf Seiten 10 und 11 ). Das sind aber Ausnahmen.

Kenneth Steiner : Fast alle Menschen erzählen von sich aus viel von ihrem Leben und ihrer aktuellen Situation. Das Erstgespräch ist manchmal ein gegenseitiges Herantasten. Aber schon im zweiten Gespräch entsteht oft eine vertrauensvolle Atmosphäre.

Anna Bonacci : Nach einer gewissen Zeit spricht man auch über persönliche Themen, über das Leben und sein Ende, über Bestattungswünsche oder Krankheit und das Alter. Das sind Gespräche, die ich persönlich sehr schätze. Weil sie ein Vertrauensbeweis sind, nicht nur der Stiftung gegenüber, sondern auch gegenüber uns als Kontaktpersonen. So kann eine tiefe Verbundenheit entstehen.


Anna Bonacci ist Co-Leiterin Stiftungen & Legate bei der CMS. 2003 nahm sie ihre Arbeit bei der CMS als Leiterin Atelier Mondial auf. 2005 wurde sie Projektleiterin in der damals neu gegründeten Abteilung Kultur der CMS. In beiden Positionen kam sie häufig in Kontakt mit Stiftenden. 2008 übernahm sie die Leitung der Stabsstelle Stiftungen & Legate inklusive Geschäftsführung der von der CMS verwalteten selbstständigen Stiftungen. Seit 2024 führt Anna Bonacci die Stabsstelle gemeinsam mit Kenneth Steiner.

Kenneth Steiner arbeitet seit sechs Jahren bei der CMS. Er begann mit einem Praktikum in der Abteilung Kultur und war danach für Atelier Mondial tätig. Von 2021 bis 2023 war er Projektverantwortlicher bei der Stabsstelle Stiftungen & Legate. Seit 2024 führt Kenneth Steiner die Stabsstelle gemeinsam mit Anna Bonacci.

Anna Bonacci und Kenneth Steiner