Das dreimal jährlich erscheinende Online Magazin RADAR der Christoph Merian Stiftung informiert über die Hinter- und Beweggründe des CMS-Engagements.

Die gedruckte RADAR Ausgabe mit dem ganzen Inhalt zum Thema kann hier bestellt werden.

Alle guten Dinge sind mehr als drei

Der Vielfaltspitz

Für die einen ist der Dreispitz Wirtschafts- und Gewerbepark, für die anderen Ausgeh-, Shopping- und Kulturmeile. Für manche ist der Dreispitz ein undefinierter Unort am Rande der Stadt, für andere ihr Wohnort. Für die CMS aber ist der Dreispitz absolut zentral: als historisches Stammland unseres Stifters, als ein Ort mit grosser Zukunft und nicht zuletzt als eine der wichtigsten Ertragsquellen für die Umsetzung des Stiftungszwecks.

Christoph Merian selbst hatte das Land im Zuge seiner Arrondierungspolitik rund um Brüglingen, seinem Sommersitz, erworben. Auch wenn es zum Teil ein «ruches Feld» war, worauf noch heute der Flurname Ruchfeld verweist, nutzte er den Dreispitz zunächst landwirtschaftlich. Mit dem Bau der Jurabahn bot sich die Gelegenheit, das Gebiet an die Bahn anzuschliessen. So entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts die Materiallagerplätze. Dazu gesellte sich wenig später das Zollfreilager, und durch die Bahnanbindung kamen auch das produzierende Gewerbe und sogar einzelne Industriebetriebe in den Dreispitz. Mit der Übergabe des Baurechts an den Kanton Basel-Stadt in den 1920er-Jahren entstand die kantonale Dreispitzverwaltung, welche den Rangierbetrieb, eine Werksfeuerwehr und alle Aufgaben auf der Dreispitz-Allmend wahrnahm, die der öffentlichen Hand obliegen. Bereits in den 1990er-Jahren zeichnete sich ein zunehmender Strukturwandel ab: Gewerbliche, industrielle und logistische Betriebe verlegten ihre Produktion ins Ausland oder ihre Logistik mit neuen, grossen Terminals noch näher an die Autobahn, während sich immer mehr Dienstleistungsbetriebe, Detailhandelsfirmen und Freizeiteinrichtungen im Dreispitz ansiedelten. Da der Dreispitz – wie erwähnt – eine der wichtigsten Einnahmequellen für die CMS ist, mit der sie ihre Förderung im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich finanziert, begann sich die Stiftung mit Beginn des neuen Jahrtausends immer stärker mit dem Strukturwandel des Dreispitz auseinanderzusetzen. Dabei gelang es ihr 2008, das Baurecht vom Kanton zurückzukaufen und 2014 nach einer missratenen bikantonalen Nutzungsplanung auch die Steuerung der Entwicklung wieder zu übernehmen.

2015 hat die CMS ihre Entwicklungsziele formuliert. Sie sind immer noch gültig und sie geben auch Antworten auf aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen wie Klimaveränderung, Wohnungsnot oder das raumplanerische Postulat der Verdichtung auf versiegelten Böden. Im Vordergrund steht die zeitlich und räumlich etappierte Entwicklung in Teilgebieten. Dies erlaubt eine enge Zusammenarbeit mit den Baurechtsnehmern vor Ort, aber auch die Ausbildung von ganz unterschiedlich geprägten Quartieren innerhalb des Dreispitz. Im Wirtschaftspark soll der Boden intensiver genutzt werden, wodurch die Gewerbeflächen bezahlbar bleiben und mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können. In anderen Teilgebieten soll viel und unterschiedlichster Wohnraum geschaffen werden: Die angrenzenden Quartiere Gundeli Ost und Münchenstein Nord sollen sich mittelfristig im Dreispitz verbinden und die städtebauliche Zäsur aufheben. Durch die Verdichtung kann umgekehrt viel Freiraum entstehen. Ehemalige Gleisfelder und Innenhöfe sollen begrünt werden, um im Sommer die Erwärmung des weitgehend versiegelten Dreispitz zu reduzieren, aber auch um die Lebensqualität zu verbessern. Mit dem Projekt Gleisbogen schaffen wir darüber hinaus attraktive Orte der Begegnung, der Inspiration und Entschleunigung, die zur Entdeckung des Dreispitz einladen.

Exemplarisch verdichten sich die angestrebten Entwicklungsziele im Projekt Dreispitz Nord: Anstelle des heutigen Parkings entsteht hier ein neues Quartier, das sich ans Gundeli anschliesst und Wohnraum für alle Portemonnaies ermöglicht (rund 800 Wohnungen). Die drei Wohn- und Bürotürme schaffen nicht nur Platz für einen Park mit tief wurzelnden Bäumen, sondern auch Raum für grosszügige Freiflächen. Darüber hinaus sieht das Projekt Dreispitz Nord eine Sekundarschule, Freizeitnutzungen für Jugendliche sowie einen Quartiertreff vor, wobei Migros und Obi über gleich grosse Detailhandelsflächen wie heute verfügen werden. Kurzum, das Projekt Nordspitze ist deshalb zukunftsweisend, weil es sorgsam mit dem knapper werdenden Gut «Boden» umgeht und zugleich eine nachhaltige, quartier-, sozial- und klimaverträgliche Transformation realisiert. Wir sind überzeugt, dass dies das Gebot der Stunde ist, und wir hoffen deshalb, dass das Projekt die politischen Entscheidungsträger überzeugt und die nötigen gesetzlichen Hürden nehmen wird.

Der Dreispitz ist aber nicht nur ein Ort für das Gewerbe, für den Detailhandel, für Freizeit und Wohnen, sondern auch für die Bildung. Der Dreispitz wird sogar zu einem eigentlichen Bildungscluster: mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW, der Bibliothek und der Plakatsammlung der Schule für Gestaltung, der Hochschule für Wirtschaft FHNW, dem geplanten Uni-Standort Baselland mit der Juristischen und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und nicht zuletzt mit dem Ausbildungszentrum des Basler Malermeisterverbandes und der geplanten Sekundarschule.

Und dabei ist der Dreispitz noch viel vielfältiger: Es gibt Fitnesscenter, Brockis, Start-ups, soziale Einrichtungen, Recyclingangebote wie OFFCUT und die Bauteilbörse, Kantinen, Foodtrucks, es gibt den galicischen Club CRC Ourense, einen Hindutempel, eine Moschee, das Haus der elektronischen Künste, Ateliers für Kunstschaffende, ein Tonstudio, Coworking Spaces, den Impact Hub Basel, das Wortstellwerk, mit Birtel eine Brauerei samt Restaurantwagen und viel, viel mehr. Zu dieser Vielfalt möchten wir nicht nur Sorge tragen, sondern sie gezielt fördern.

Das vorliegende RADAR zeigt mit seinen Exkursionen, Erkundungen und Entdeckungen, wie reichhaltig, lebendig und vielfältig der Dreispitz ist. Die CMS sieht in der Transformation des Dreispitz eine Chance für alle: für die ansässigen Unternehmen, für das Gundeli, für Münchenstein, die ganze Stadt und die Region. Denn hier ist Vielfalt erwünscht. Willkommen im Dreispitz, dem Vielfaltspitz, der Stadt in der Stadt.

TEXT: DR. BEAT VON WARTBURG