Universalerbin und Mitstifterin Margaretha Merian (1806–1886)
«Frei, ungehindert und nach Belieben»
Er ist seit 164 Jahren tot, sie seit 136 Jahren, und doch bestimmen Christoph und Margaretha Merian-Burckhardt immer noch und sozusagen täglich unsere Arbeit in der Christoph Merian Stiftung. Dies aus zwei Gründen: Zum einen hat Christoph Merian uns nachgeborenen Stiftungsverantwortlichen klare Vorgaben zur Umsetzung des Stiftungszwecks und zum Umgang mit dem Vermögen gemacht, zum anderen stehen wir immer noch in der Verpflichtung und im Bann des Stifterpaars mit seiner Mischung aus Weitblick, Weltoffenheit und konservativer Solidität.
Zunächst zu den Vorgaben: Christoph Merian bestimmte in seinem Testament, dass das Vermögen ganz erhalten bleiben und «nur die Zinsen und der Ertrag der Güter für wohlthätige und nützliche städtische Zwecke jährlich verwendet werden» dürfen. Dies bedeutet, dass wir das Vermögen nach kaufmännischen Kriterien bewirtschaften, angesichts von Teuerung und Potenzial mehren und Rendite erzielen müssen, damit wir den Hauptauftrag des Stifterpaars, nämlich die Umsetzung des Stiftungszwecks «Linderung der Noth und des Unglücks» und «Förderung des Wohles der Menschen», adäquat und wirkungsvoll erfüllen können. Abgesehen davon, dass der Vermögenserhalt im Laufe der Stiftungsgeschichte immer wieder eine Herausforderung darstellte, ist es auch nicht einfach, Öffentlichkeit und Politik verständlich zu machen, dass die CMS ihr Vermögen nicht für den Stiftungszweck einsetzen darf, also weder zum Beispiel durch Kostenmieten, Rabatte und Gebrauchsleihen freiwillig auf Einnahmen verzichten noch das Vermögenspotenzial bewusst nicht ausschöpfen. Hier braucht es auch heute noch den Weitblick Christoph Merians, aber auch seine klare und konsequente Haltung.
Mindestens so wichtig wie die verbindlichen Vorgaben ist für uns darum auch der Vorbildcharakter des Stifterpaars. Obwohl sich beide durch den pietistisch geprägten Glauben an einem konservativen Weltbild orientierten, lebte das kinderlose Paar eine ausgesprochen «moderne» Beziehung. Dies zeigt sich in Christoph Merians Testament, aber auch in der selbstbewussten Stiftungsverwaltung durch Margaretha Merian nach dem Tod ihres Mannes.
Christoph Merian betont im Testament an mehreren Stellen, wie sehr er seiner Gattin vertraut und dass er stets «in übereinstimmender Gesinnung» mit seiner «lieben Gattin» handle. Deshalb setzte er sie auch zu seiner «einzigen und wahren Universalerbin» ein und verfügte, dass sie mit seinem ganzen Vermögen «so lange sie lebt, frei, ungehindert und nach Belieben» schalten und walten könne. Dies ist für die damalige Zeit, in der eine unverheiratete oder verwitwete Frau unter Vormundschaft stand und nicht mündig über ihr Vermögen verfügen durfte, aussergewöhnlich. Ebenfalls ungewöhnlich ist, mit welcher Klarheit und Konsequenz Margaretha Merian das Stiftungsvermögen verwaltete, den Bau der Elisabethenkirche vollendete und zu Lebzeiten Spenden ausrichtete.
In der öffentlichen Wahrnehmung und aufgrund der mehr als dürftigen Quellenlage – es gibt keine persönlichen Aufzeichnungen oder Briefe – stand Margaretha Merian stets im Schatten ihres Gatten. Die vorliegende RADAR-Ausgabe möchte für einmal Margaretha Merian ins richtige und verdiente Licht rücken. Die CMS verdankt ihr mindestens so viel wie Christoph Merian. Deshalb setzt sie sich auch dafür ein, dass ihrer verstärkt gedacht wird.
TEXT: DR. BEAT VON WARTBURG, DIREKTOR CMS