Begegnung und Beratung
Ein offenes Ohr für die Menschen im Quartier
TEXTE: MIRIAM GLASS
Mobile Quartierarbeit: Vertraulich, unkompliziert – und nah bei den Menschen
Die Sonne brennt auf die Wiese zwischen den Wohnblocks in Klybeck Mitte. Fritz Rösli und Christoph Wüthrich stehen im Schatten unter einem Baum, als ihnen quer über das Areal ein Mann zuwinkt. Er kommt herüber und stellt sich zu den beiden. «Ich habe den Schlüssel vergessen», sagt er und lacht.
Rösli und Wüthrich kennen den Mann. Mehrmals pro Woche sind sie oder ihre Teamkolleginnen von der mobilen Quartierarbeit im Klybeck und in Kleinhüningen unterwegs und kümmern sich um die vielfältigen Anliegen und Bedürfnisse der Menschen im Quartier.
In Klybeck Mitte geht es bei ihren Gesprächen oft ums Wohnen. Aktuell werden die Wohnblocks saniert, die Mieten steigen. Auch das Gespräch mit dem Mann, der den Schlüssel vergessen hat, dreht sich bald um dieses Thema. «700 Franken mehr pro Monat», sagt er, schaut zu den Fenstern des Wohnblocks hinüber und schüttelt den Kopf. Bei vielen Fragen, die sich in so einer Situation stellen, können die Mitarbeitenden der mobilen Quartierarbeit helfen. Was sind die Rechte von Mieter:innen? Welche Papiere sind wichtig bei einer Kündigung, was steht im Kleingedruckten, welche Fristen gelten?
Die mobile Quartierarbeit gibt es bereits seit 2012, damals noch aufs Klybeck beschränkt. «Es hat sich gezeigt, dass viele Menschen den Weg zum Quartiertreffpunkt oder zu anderen Anlaufstellen nicht gefunden haben, teils aus Unwissen, aber auch wegen Berührungsängsten oder Sprachbarrieren. Diese Lücke können wir schliessen», sagt Fritz Rösli. Heute sind Treffpunkt und mobile Arbeit in der Quartierarbeit KLŸCK vereint.
In den kurzen Begegnungen im öffentlichen Raum signalisieren Rösli, Wüthrich und ihre Kolleginnen den Menschen, dass sie ein offenes Ohr für deren Anliegen haben. Daraus kann Vertrauen entstehen, aus dem sich dann informelle Beratungsgespräche ergeben, zum Beispiel zu finanziellen und rechtlichen Schwierigkeiten, Konflikten in der Nachbarschaft oder gesundheitlichen Problemen. Wo die Mitarbeitenden der mobilen Quartierarbeit nicht weiterhelfen können, weisen sie auf bestehende Angebote hin. Bei gesundheitlichen Themen etwa auf die Beratungen, die der Verein Pro Salute wöchentlich im Quartiertreffpunkt KLŸCK anbietet.
Die Gespräche sind vertraulich und kostenlos. Stattfinden können sie überall, wo sich die Menschen im Quartier aufhalten: am Ufer der Wiese, wo eine «Plauderbank» steht; im Einkaufszentrum Stücki; am Kinderplanschbecken im Giesslipark. Ab und zu geht das KLŸCK-Team von Tür zu Tür und fragt, wie es den Bewohnerinnen und Bewohnern geht. Manchmal legen sie auch nur Flyer mit ihren Natelnummern aus, die rege genutzt werden.
Oft kommen in den Gesprächen Probleme zur Sprache – aber nicht nur. Auch neue Ideen fürs Quartier können entstehen. Zum Beispiel bei den mobilen Quartierspielenachmittagen, aus denen eine Jassgruppe entstand, die sich bis heute wöchentlich trifft.
Offen für alle und doch ein geschützter Raum: Die Kontaktstelle Eltern und Kinder St. Johann
«Hallo, darf ich reinkommen?» Eine Frau mit zwei Kindern steht im Eingangsbereich der Kontaktstelle Eltern und Kinder St. Johann. «Ja, einfach reinkommen», sagt Gabriele Steinmann von der Co-Leitung der Kontaktstelle, und ab hier geht alles leicht. Die Kinder, vier und anderthalb Jahre alt, scheinen sich sofort wohlzufühlen in dem Raum mit den blauen Matten auf dem Boden, der Rutschbahn und den Stofftieren. Das Mädchen kocht der Mutter in der Puppenküche einen Cappuccino. Wie die richtige Kaffeemaschine funktioniert, erklärt Gabriele Steinmann.
Den Kaffee kann die Mutter brauchen. «Wir hatten eine anstrengende Nacht», sagt sie. Mehr Worte sind im Moment nicht nötig. Kann sein, dass sich eines Tages ein Gespräch über das Schlafverhalten der Kinder ergibt, vielleicht aber auch nicht.
«Beim ersten Besuch im offenen Treffpunkt kommen die meisten nicht, weil sie eine Beratung wünschen», sagt Steinmann. «Sie schauen sich erst mal um.» Aber die
Möglichkeit, sich mit Fragen ans Team zu wenden, besteht jederzeit und wird auch genutzt. Wenn genug Vertrauen aufgebaut ist, kommen Themen zur Sprache, die Eltern mit Kindern im Alter bis vier Jahre herausfordern. Da kann es darum gehen, dass das Kind nicht lernt, aufs WC zu gehen, um Trotzanfälle, ums Stillen, um die Eingewöhnung in der Kita oder Streit unter Geschwistern.
«Wir können viele Fragen beantworten und vermitteln Wissen zur Entwicklung von Kindern», erklärt Gabriele Steinmann. Zwar hätten Eltern auch ausserhalb der Kontaktstelle viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Doch gerade in der digitalen Informationsflut sei das individuelle Gespräch wichtig. «Es gibt keine absolut richtigen Lösungen, die für alle funktionieren. Wir stärken Eltern darin, ihren eigenen Weg zu finden und auf ihre eigenen Fähigkeiten zu vertrauen.»
Zusätzlich zum offenen Treffpunkt hält die Kontaktstelle weitere Beratungsangebote bereit: Auf demselben Stockwerk bietet der Verein Elternberatung Basel-Stadt Einzelberatungen für Eltern mit Kindern von der Geburt bis fünf Jahre an. Auch Termine für Hausbesuche können vereinbart werden. Jeden Monat findet eine Informationsveranstaltung statt. Und einmal pro Woche steht zusätzlich eine Heilpädagogin vom Zentrum für Frühförderung zur Verfügung.
Die Mutter, die heute zum ersten Mal da ist, hat von den Beratungsangeboten schon gehört. Momentan aber interessiert sie der leckere Geruch, der in die Räume der Kontaktstelle dringt. Im Quartiertreffpunkt St. Johann / LoLa – er befindet sich unter demselben Dach wie die Kontaktstelle – steht der Mittagstisch bereit. Dorthin zieht es die Mutter mit ihren Kindern. Denn nach einer Nacht mit wenig Schlaf hilft ein gutes Mittagessen manchmal mindestens so viel wie ein guter Rat.