Das dreimal jährlich erscheinende Online Magazin RADAR der Christoph Merian Stiftung informiert über die Hinter- und Beweggründe des CMS-Engagements.

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Kulturelles Erbe

«Damit Aufklärung sich allgemein verbreite …»

«Die Geschichte des Vaterlandes erhöhet und veredelt die Liebe zu demselben. Die Ursache davon liegt in der Natur der Seele. Unsre Neigung für einen Gegenstand nimmt unvermerkt zu, je mehr der Geist seine Aufmerksamkeit auf denselben ­richtet. Wenn man sich eine gewisse Zeit mit ­dessen Ursprung, Aufkommen, widrigen und ­glücklichen Schicksalen beschäftiget hat, so muß man unwiderstehlich mehr Antheil an der Verbesserung seines Zustandes nehmen. Zu dieser Betrachtung kömmt noch der ­wichtige Umstand, dass wir in einer Republik leben (…). Es ist also Pflicht, alle möglichen Wege einzuschlagen, damit Aufklärung sich allgemein verbreite.»


TEXT: DR. BEAT VON WARTBURG

So hat Peter Ochs, Homme de lettre, Aufklärer und Staatsmann, 1786 im Vorwort seiner achtbändigen «Geschichte der Stadt und Landschaft Basel» den Bedarf und den Nutzen eines Geschichtswerks definiert. Er beschreibt damit zugleich den Grund, weshalb die Christoph Merian Stiftung (CMS) seit vielen Jahren die Aufarbeitung der Basler Geschichte fördert. Die CMS ist überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit Geschichte für die gesellschaftliche Teilhabe, für die Identität und die Identifikation mit unserer Stadt und unserer Region grundlegend und wichtig ist. Die Stiftung engagiert sich dabei auf verschiedene Weise für Geschichte. So setzt sie sich zunächst für den Erhalt und die Vermittlung des kulturellen Erbes ein. Denn Schriftgut und ikonografische Quellen wie Fotobestände, Bilder oder Bildobjekte sind wichtige Grundlagen für die Geschichtsforschung. Die CMS hilft aber nicht nur diese Quellen zu sichern, sondern auch sie zu erschliessen und zu vermitteln. Dabei achtet die Stiftung auf eine niederschwellige Zugänglichkeit und sorgt gleichzeitig für eine mediale Verbreitung der Erkenntnisse, sei es digital oder mittels Publikationen.

Genau deshalb ist es ein Glücksfall, dass die CMS seit 1976 über einen eigenen Verlag, den Christoph Merian Verlag, verfügt. Der CMV ist ein wertvolles Instrument zur Vermittlung von historiografischem Wissen und zur Präsentation von ebenso ästhetischen wie gesprächigen historischen Quellen. Es entstanden und entstehen wunderbare Bildbände, zum Beispiel über die Fotosammlungen Jeck, Hoffmann, Heman, Herzog, aber auch Standardwerke wie «Celestino Piatti», «350 Jahre Bürgerliches Waisenhaus Basel» oder die «Die Ortsnamen von Basel». Zurzeit sind im Christoph Merian Verlag insgesamt mehr als 100 historiografische Titel lieferbar! Dabei leistet der Verlag zusammen mit der CMS immer wieder anwaltschaftliche Pionierarbeit: So brachte er nach der Ablehnung der Neuen Basler Geschichte (vgl. den Artikel von André Salvisberg) das Geschichtswerk «Basel – Geschichte einer städtischen Gesellschaft» als Plädoyer für die Erforschung der regionalen Geschichte heraus. Er setzte sich mit der Publikation «Chemie und Pharma in Basel» für die Erforschung dieser für Basel so wichtigen Schlüsselindustrie ein oder publizierte 2004 den Band «Baumwolle, Sklaven und Kredite» – zu einem Zeitpunkt, als die koloniale Geschichte des Binnenlandes Schweiz und die Provenienzforschung in der breiten Öffentlichkeit noch kein Thema waren. Ausserdem führt der CMV eine eigene Reihe mit dem Titel «Beiträge zur Basler Geschichte», in der kürzlich der 23. Band erschienen ist. Die Bandbreite der Themen reicht dabei vom Roten Basel bis zum Seidenhandel, vom Frauenstimmrecht zu Scheich Ibrahim und von den Katholiken in Basel bis zu Orten der Erinnerung 1933 – 1945.

Neben der Förderung von historischer Forschung und der Edition von historiografischen Publikationen leistet die CMS noch einen weiteren wichtigen Beitrag für die Geschichtsforschung, indem sie mit dem Basler Stadtbuch im Sinne eines Service public gleich drei Ziele verfolgt: Sie publiziert historische Beiträge – die ältesten datieren von 1876 –, sie führt die Basler Chronik weiter und regt die Neugier für historische Themen an, indem sie täglich über die sozialen Medien historische Bildgeschichten verbreitet. Das digitale Stadtbuch ist deshalb nicht nur eine unglaublich reichhaltige Fundgrube für Geschichtsinteressierte, sondern auch ein grundlegendes Hilfsmittel und eine bedeutende Quelle für die Geschichtsschreibung.

Aus all dem wird ersichtlich, wie naheliegend es war, dass die Christoph Merian Stiftung zum einen das Projekt Stadt.Geschichte.Basel unterstützte und zum andern der Verlag den Zuschlag für die Edition der zehnbändigen Stadtgeschichte erhielt.

Wir sind überzeugt, dass es in unserer immer «schnelleren» Zeit, in einer Zeit, in der unsere demokratischen Werte immer wieder infrage gestellt werden, in der das technisch Machbare neue Möglichkeiten, aber auch neue Risiken bringt und die Halbwertzeit von Gewissheiten immer kürzer wird, dass gerade heute die Auseinandersetzung mit der Frage, woher wir kommen entscheidend ist, damit wir wissen, was und wohin wir wollen. Peter Ochs hatte eben schon recht – auch heute braucht es zum einen die erkämpften aufklärerischen Werte und zum andern die Anstrengung der permanenten Aufklärung selbst.